Griffelglossen: Unterschied zwischen den Versionen
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==[[Griffelglossenhandschriften|Liste der Handschriften mit althochdeutschen Griffelglossen]]== | ==[[Griffelglossenhandschriften|Liste der Handschriften mit althochdeutschen Griffelglossen]]== |
Version vom 3. Januar 2014, 14:36 Uhr
Allgemeines
Griffelglossen sind ohne Tinte mit einem Griffel (auch: Stilus) in das Pergament eingeritzte oder eingedrückte lateinische oder volkssprachige Erläuterungen, die oft zwischen die Zeilen als Erklärungshilfen zu schwierigen Textwörtern in lateinische Handschriften eingetragen wurden. Immer wieder wurden auch Zeichnungen, Kritzeleien, Interpunktionszeichen, Textkorrekturen und -ergänzungen, Scholien, Neumen oder Besitzervermerke eingraviert.
Die Technik des volkssprachigen Glossierens wurde vermutlich durch angelsächsische und irische Missionare vermittelt.
Der Griffel als das frühere mobile Schreibgerät war jederzeit verfügbar und ermöglichte so auch spontanes Glossieren. Je spitzer ein Griffel war, desto tiefer ritzte er in Pergament, so dass es teilweise auch zu Durchprägungen auf die nächste Seite kam (Geisterglossen).
Griffelglossen sind nur durch den im flach einfallenden Licht auftretenden Schatten in den Rillen zu erkennen. Aufgrund einer großen Anzahl schlecht lesbarer Griffelglossen versuchte man in der Vergangenheit, die Griffeleintragungen mit Bleistift nachzuzeichnen und beschädigte diese dabei. In vielen Fällen wurden Griffelglossen aber auch einfach "weggeschnitten", weil sie übersehen worden waren.
Bedeutung
Volkssprachige Griffelglossen gehören zur ältesten Überlieferung des Deutschen. Nach derzeitigem Kenntnisstand handelt es sich bei Griffelglossen in der Regel um originale, nicht abgeschriebene Eintragungen. Die Verschriftungssituation ist oftmals informeller und spontaner als bei Federglossen, was differenzierte Einblicke in die Sprachwirklichkeit des Frühmittelalters erlaubt. Besonders im Bereich lautlicher Phänomene lassen sich Reflexe sprechsprachlicher Formen nachweisen (Ernst / Glaser 2009; Ernst / Elspaß 2011). Integriert man diese Phänomene in diachrone Studien, so können Sprachwandelprozesse innerhalb des mittelalterlichen Kommunikationsraumes deutlich fundierter als bisher dargestellt werden (Schiegg 2013).
Derartige Reflexe sprechsprachlicher Formen sollen in Zukunft auf einer gesonderten Seite gesammelt werden.
Forschungsstand
Die Forschung hat Griffeleintragungen lange Zeit nicht wahrgenommen – nicht zuletzt deshalb, weil sie meist nur unter bestimmten günstigen Lichtbedingungen sichtbar werden und ihre Entzifferung nicht immer ganz einfach ist. Erst seit den 1990ern werden Griffelglossen systematisch ediert und analysiert. Die Zahl der Handschriften mit althochdeutschen Glossen hat sich seit Elivra Glasers Auflistung von 70 Handschriften (1996, 55-63) mittlerweile mehr als verdoppelt.
Zur Forschungsgeschichte bis 1996
- Bereits E. v. Steinmeyer beobachtete das Phänomen der Griffelglossierung. Dies merkte er z.T. in Handschriftenbeschreibungen an (z.B. zum Clm 4614: StSG. V, S. 65 ). Manchmal edierte er Griffelglossen auch wie Federglossen (z.B. zum Clm 6277: StSG, II, S. 163,5 lat. pastoralis - ahd. dera, vgl. Ernst (2007 ,445)).
- B. Bischoff veröffentlichte 1928 Griffelglossen aus 7 Handschriften (in: PBB 52, S.153-168).
- H. D. Meritt veröffentlichte 1933/1934 neben altenglischen Griffelglossen (in: AJPh 54,4 (1933): 305-322) auch althochdeutsche Griffelglossen (in: AJPh 55,3 (1934): 227-235).
- Mit Hilfe von Notizen B. Bischoffs veröffentlichte W. Stach 1950 Griffelglossen aus 31 weiteren Handschriften.
- Mit Hilfe von Notizen B. Bischoffs veröffentlichte H. Thoma zwei Editionen (41 untersuchte Codices), in denen in 14 Handschriften Griffelglossen enthalten sind (Thoma 1955 und Thoma 1963).
- H. Mayer veröffentlichte 1974 Griffelglossen aus 23 weiteren Handschriften (Inhaltsverzeichnis).
- Danach publizierte H. Mayer zwei Monographien zu Griffelglossen (Mayer 1982 und Mayer 1994).
Zur Forschungsgeschichte ab 1996
- Eine erste Liste mit 70 Handschriften, die ahd. Griffelglossen enthalten, stammt aus E. Glasers (1996) Habilitationsschrift, die eine neue, systematische Grundlage zur Erforschung von Griffelglossen schuf.
- Darauf aufbauend entstanden umfassende Monographien zu Griffelglossenhandschriften aus Freising (Ernst 2007) und Tegernsee (Nievergelt 2007).
- Die Liste mit Griffelglossen wurde 2004 um 15 Handschriften erweitert von E. Glaser / A. Nievergelt (2004). Dies ist der Forschungsstand des BStK (2005).
- Die bis 2009 neu hinzugekommenen Handschriften wurden in das BStH (E. Glaser / A. Nievergelt 2009) aufgenommen.
- Die bis 2011 abermals hinzugekommmenen Handschriften wurden erfasst von A. Nievergelt (2011).
- Seither kam es zu beträchtlichen Neufunden, so dass die Liste erneut erweitert werden musste: Siehe dazu die Nachträge von Nievergelt (Bibliographie#N2012 und 2013), die fortan zusammen mit kurzen Editionen jährlich in der Sprachwissenschaft publiziert werden.
- Die diesbezüglich nun etwas unübersichtlich gewordene Forschungssituation soll ab jetzt in diesem Wiki durch die komplette und "mitwachsende" Liste der Griffelglossenhandschriften klarer und aktuell dokumentiert werden.
Liste der Handschriften mit althochdeutschen Griffelglossen
Der aktuelle Forschungsstand soll in diesem Uuiki durch die folgende komplette und "mitwachsende" Liste der uns überlieferten Handschriften mit ahd. Griffelglossen dokumentiert werden. Die zu den einzelnen Handschriften gegebenen Informationen basieren auf der aktuellen Forschungslage und sollen v.a. auch die weitere Beschäftigung mit den Glossierungen erleichtern. Deshalb wird auch insbesondere auf die Mitteilung noch nicht identifzierter Griffeleintragungen Wert gelegt, wo dies aus der zugrundegelegten Forschungsliteratur ersichtlich wird. (---> zur Liste der Griffelglossenhandschriften)
Altsächsische Griffelglossen
Bisher sind nur drei Handschriften bekannt, die altsächsische Griffelglossen tragen:
- BStK 104: Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek Ms. B 80
- BStK 105: Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek Ms. F 1
- BStK 149: Essen, Münsterschatzkammer Hs. 1 (siehe Nievergelt 2013, 385)
Griffelglossen außerhalb der Germanistik
Es ist auffällig, dass Griffelglossen häufig die frühesten Belege der Verschriftung einer Volkssprache bilden. Die Untersuchung von Griffelglossen anderer Sprachen und der anschließende funktionale Vergleich mit althochdeutschen Griffelglossen könnten unser Bild von dieser Textsorte erweitern. Relevant für diese Fragestellung ist auch immer das Verhältnis zwischen volkssprachigen und lateinischen Griffelglossen sowie im Allgemeinen das Verhältnis zwischen Griffelglossen und anderen Eintragungen (Federglossen, eingeritzte tironische Noten, etc.).
Kommentierte Literaturlisten zu Griffelglossen außerhalb der Germanistik sollen den ersten Schritt für eine solche 'vergleichend-funktionale Griffelglossenforschung' bilden.
Literatur
- Bischoff, B. (1928): Nachträge zu den althochdeutschen Glossen. In: PBB 52.
- Ernst, O. / Glaser E. (2009): Graphematik und Phonematik. In: BStH I.
- Ernst, O. / Elspaß S. (2011): Ahd. Gossen als Quellen einer Sprachgeschichte 'von unten'.
- Glaser, E. (1993): Edition und Dokumentation von Griffelglossen.
- Glaser, E. (1996): Frühe Griffelglossierung aus Freising.
- Glaser, E. / Nievergelt, A. (2009): Griffelglossen. In: BStH I.
- Nievergelt, A. (2013): Nachträge. In. Sprachwissenschaft.
- Schiegg M. (2013): Medieval Glossators as Agents of Language Change.
- Stach W. (1950): Mitteilungen zur mittelalterlichen Glossographie.